St. Gangolf – Rekonstruierte Fliesen für einen Kirchenboden
Der Fußboden als ausschlaggebendes Zeugnis der Geschichte eines historischen Gebäudes
Ein Kirchenboden hätte viele Geschichten zu erzählen, wenn er denn verständlich sprechen könnte. Nicht anders verhielte es sich mit dem historischen Fußboden in der Marktkirche in Trier, einem der ältesten Gotteshäuser in Europa. Das, was dieser Boden aus gebrannten Lehmfliesen zu berichten hat, können wir zumindest an bestimmten Hinweisen und Tendenzen ablesen. Darum erzählen wir hier die Geschichte der Sanierung dieses Kirchbodens und seiner Fliesen. Hier können Sie die genaue Dokumentation im Minutentakt mitverfolgen.
Die Reise vom Früh- bis ins Spätmittelalter
Beidseitig verlegbare Lehmfliesen halten starkem Publikumsverkehr stand
Trier nimmt für sich in Anspruch, die älteste Stadt Deutschlands zu sein, denn sie wurde bereits vor mehr als 2000 Jahren unter dem Namen Augusta Treverorum gegründet und von den Römern als Stadt, im Gegensatz zu einer Siedlung oder einem Heerlager, anerkannt. Die Römischen Baudenkmäler in Trier zählen bereits seit 1986 zum UNESCO-Welterbe.
Neben dem Amphitheater, den Barbara- und Kaiserthermen ragen vor allem die Konstantinbasilika, die Porta Nigra und natürlich die Römerbrücke heraus. Zudem kann sich die Stadt mit unzähligen Kulturdenkmälern aus nahezu allen Epochen von der Frühgeschichte bis zum 21. Jahrhundert rühmen.
Die älteste Kirche in der ältesten Stadt
Ursprünge liegen im Frühmittelalter
St. Gangolf ist dem gleichnamigen Heiligen geweiht und die wohl berühmteste Marktkirche der Stadt Trier. Dieser älteste Kirchenbau nach dem St. Peter Dom liegt etwas südlich vom Hauptmarkt, ragt aber wegen seines mächtigen, 67 Meter hohen Turms gut sichtbar hinter den ihn von jeher umgebenden, mittelalterlichen Häusern hervor.
Die Geschichte der Kirche ist auch eine lange Geschichte vieler Auf-, Um- und Erweiterungsbauten. Denn St. Gangolf wurde zwar im Jahr 958 als erste Kirche zusammen mit dem Markt selbst errichtet, musste aber bereits 300 Jahre später durch einen Neubau, dessen Fertigstellung sich fast 100 Jahre hinzog, ersetzt werden.
Aus dieser Zeit stammen auch die Elemente des Fußbodens, der jetzt ersetzt werden soll, sowie das ansehnliche Kreuzrippengewölbe des Hauptschiffes und auch die ersten vier Geschosse des Turms, die aber im ausklingenden Spätmittelalter um zwei weitere Stockwerke erweitert wurden. Damit überragte der 67-Meter-Turm der Bürgerkirche St. Gangolf für vier kurze Jahre (1507 – 1511) die beiden Türme des Doms von Trier, was zu allerlei Verwicklungen führte.
Mittelalterfliesen für den gesamten Kirchenboden und Sondersteine für die Altarinsel
Gebrannte Lehmplatten fügen sich nahtlos in das noch Erhaltene ein
Für die älteste Kirche in der ältesten deutschen Stadt wurden Lehmplatten gebraucht, die sowohl äußerlich als auch in ihrer grundsätzlichen Beschaffenheit den Grundgedanken der Fliesenmeister aus dem Hochmittelalter nachempfinden und zugleich den Ansprüchen modernen Lebens genügen.
Die mehrfarbigen Bodenfliesen, die genau den Originalen nachempfunden wurden und sich deshalb nahtlos in die vorhandene Bau- und Fliesensubstanz einfügen, zeichnen sich durch ihre besondere Materialstärke aus und können wegen ihren farbechten Rückseiten beidseitig und fugenlos verlegt werden, woraus sich aus dem Zusammenspiel ein einzigartiges Gesamtbild ergibt und zugleich den Eindruck erweckt, als seien sie bereits seit Jahrhunderten in Gebrauch.
Dieser Effekt wird durch gelegentliche Rissbildung, entstanden durch unterschiedliche Schrumpfung von eingeschlossenen Lehmklumpen beim Brennvorgang, und oberflächliche Narben noch verstärkt. Die bewusst grobe Körnung in der Lehmmischung erzeugt eine leicht raue Oberfläche, die den Boden sehr rutschfest macht.
St. Gangolf – die Kirche der Handwerker
Handwerker wollen Handarbeit
St. Gangolf ist seit jeher die Zunftkirche der Handwerker. Aus diesem Grund ist das gesamte Umfeld natürlich begeistert über die Erneuerung des Kirchenfußbodens mit authentischen Fliesen aus gebranntem Lehm, die den Geist und auch die Meisterschaft des Hochmittelalters verkörpern. Denn hier vereinigen sich beide Seiten: Handwerkskunst und Tradition.
So haben es sich neben Trierer Bürgern und Vertretern der Kirchengemeinde vor allem auch viele Handwerker der ältesten Stadt Deutschlands zum Ziel gesetzt, ihren Teil zur Sanierung St. Gangolfs beizutragen und Gelder zur Finanzierung zu akquirieren.
Kirche: Die Ursprünge St. Gangolf Markt und Bürgerkirche liegen im Frühmittelalter, der heutige Neubau stammt aber aus dem 13. Jahrhundert, 500 Jahre später wurden barocke Elemente ergänzt.
Aufgabenstellung: Restaurierung eines Fußbodens mit Lehmfliesen aus eigener Herstellung (Spezialanfertigung nach Vorlage)
Arbeitsumfang: Bestandsaufnahme, Recherche, Gutachten, Planung, Herstellung von Replikaten in eigener Manufaktur
Fläche und Material: 630 m² , Fugenmasse
Dauer: 1 Jahr für Planung, Herstellung und Restaurierung, Verlegung: Trockenzeit: sukzessive,
Berdi Architekten, Bauforschung beim Landeskonservator , städtische Denkmalpflege Trier, Kirchliche Denkmalpflege