Rittergut Prossen: Der historische Schlossfußboden wird erneuert
Lehmfliesen im klassischen Schachbrett-Muster zieren die Böden in Sachsens Vorzeigeschloss
Die Sächsische Schweiz, also der deutsche Teil des Elbsandsteingebirges, ist eine der schönsten Landschaften in Europa und berühmt für seine einzigartigen Felsformationen, wie die Bastei. Sie zieht die Menschen seit Jahrtausenden an – um in diesem Landstrich für immer zu leben oder zumindest kurz dem Stress des Alltags zu entfliehen.
Das Rittergut Prossen, das mehr als sechs Jahrhunderte hinweg Verwaltungszentrum und Gerichtsstand der umliegenden Ortschaften war, ließen Caspar Heinrich von Schönberg und Johanna Eleonore von Lüttichau in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts erbauen. Nach einer bewegten Geschichte ist das heutige Schloss Prossen inzwischen ein Hotel, nennt sich selbst Refugium – ein Rückzugsort, um in gediegener Atmosphäre den schönsten Landstrich Deutschlands zu genießen.
Sanierung des Schlossfußbodens
Gesundheit, Ökologie, nachhaltige Materialen sind ein Muss
Bevor ein historischer Boden rekonstruiert werden kann, muss zunächst einmal sein Ist-Zustand ermittelt werden, bevor Planungen für eine Neukonstruktion, die spätere Herstellung der einzelnen Fliesen und die Verlegung des Fußbodens für das Schloss beginnen können.
Die Besitzer hatten nicht nur das Bedürfnis, für ihre Gäste ein angenehmes und gesundes Wohnumfeld, eingebettet in die schönste Naturlandschaft, zu schaffen, sie wollten zugleich den Charakter des alten Rittergutes erhalten und die typische Atmosphäre des ausklingenden 17. Jahrhunderts greifbar machen. Darüber hinaus war für sie und ihre Architekten die Verwendung von natürlichen, nachhaltigen, zu 100 Prozent recyclebaren, wirklich gesunden Baumaterialien nicht nur ein Wunsch, sondern der kategorische Imperativ.
Genau wie jede Fliese an sich in ihrer Material-Beschaffenheit, Farbe, Größe, Stärke ist natürlich auch ihre Anordnung als Gesamtbild oder als Teil einer größeren Einheit entscheidend. Zur authentischen Wiederherstellung eines Schlossfußbodens muss also wiederum zusammen mit Bauhistorikern und Mediävisten recherchiert werden, wie Fliesen im frühen Spätmittelalter im Allgemeinen und bestimmten Regionen im Besonderen üblicherweise verlegt wurden.
In den Archiven werden die Aufzeichnungen nach allen erdenklichen Anhaltspunkten – wie alte Verlegepläne und Fotos von ähnlichen, noch erhaltenen Fliesenböden in äquivalenten Gebäuden dieser Zeitperiode – durchforstet, um eine Rekonstruktion des Schlossfußbodens im Geiste der Erbauer zu gewährleisten. Sobald alle Daten ausgewertet sind, wird am Computer der Verlegeplan für die Wiederherstellung des Schlossfußbodens erstellt und mit den Bauherren und Architekten abgestimmt.
Ein Schlossfußboden im klassischen Schachbrett-Design
In Burgen und auf Rittergütern weit verbreitet
Wir haben es nicht erfunden, aber mit unseren handgeformten Terracottafliesen in schwarzer und weißer Farbsortierung originalgetreu nachempfunden. Das Schachbrettmuster war bereits in antiken griechischen und römischen Fußbodenmosaiken zentrales Gestaltungselement und wurde erstmals in Pompeii in „Funktionsräumen“ entdeckt. Es wurde sowohl an Wand und Boden freigelegt und dürfte wohl den Küchen- und Waschdamen den Arbeitsplatz verschönt haben.
In Nordeuropa schmückte das Schachbrettmuster gerade im 17. Jahrhundert neben dem Fußboden auch die Kaminwände von Schlösser und Burgen, bevor das auffällige Muster auch in die Bauernküchen einzog und wohl noch unter so mancher Putzschicht bis heute dort weiterexistiert. Auch der Jugendstil bediente sich an dem dankbaren Raumgestaltungselement und ließ so enge, dunkle Flure großzügiger erscheinen. Viele Mietshäuser – gerade in der Hauptstadt Berlin – zeichnen sich durch ihre Schachbrett-Fußböden aus, denn die Regelmäßigkeit in Maß und Farbe erzeugt eine Harmonie, die beruhigend auf unsere Sinne wirkt. Die Dualität der beiden Farben bildet zudem die perfekte Grundlage für weitere Farbenspiele im Raum.
Der Geschichte des Schachbrettmusters liegt natürlich die Geschichte des Schachspiels selbst zugrunde. Die Spielfläche des seit Jahrtausenden beliebten Strategiespiels dehnt sich über 8 x 8 Quadrate aus, die sich in wechselseitiger Abfolge von hell und dunkel zeigen – meist definiert durch schwarze und weiße Farbgebung. Die Entstehung des Schachspiels liegt vermutlich in Asien- über Indien, China und Arabien verbreitete sich das Spiel in Zuge der osmanischen Expansion immer mehr, bis es schließlich auch in unseren Breiten bekannt wurde.
Bereits die Bezeichnung Schach, die sich aus der persischen Sprache Farsi mit „Königliches Spiel“ übersetzen lässt, deutet auf seinen gesellschaftlichen Stellenwert hin und lässt vermuten, welcher Personenkreis als erstes das Schachbrettmuster für sein Interieur übernahm. So wurde das beliebte Spiel spätestens im Mittelalter zur Inspiration für die Gestaltung von Fußböden im Schachbrettmuster. Während das Spiel also bis zum 13. Jahrhundert zu den sieben Tugenden der Ritter avancierte, erhielten zeitgleich Paläste und Adelshäuser Bodenverkleidungen in dazu passenden Mustern.
Mit Mosaiken wurden die Schachbrettmuster für Böden einst nachgestellt, doch schon seit langer Zeit sind es Bodenfliesen, die im farblichen Wechsel Fußböden in diesem Stil besetzen. Gerne wird das Muster dann für die Verkleidung von Fußböden genutzt, die Eingangshallen begrenzen oder Balkon- und Terassenflächen definieren. Diesen schmucklosen Räumen, die man kaum als solche bezeichnen mag, tut das harmonische Pattern besonders gut.
Schachbrettmuster, die seither vor allem Küchen, Badezimmer und Hauseingänge mit schönen Bodenflächen ausstatten, haben in der Tat eine lange und bedeutende Geschichte.
Weiße Lehmfliesen für ein aufwändiges Schachbrettmuster
Planung des Fliesenfußbodens für Schloss Prossen
Schachbrett, das heißt, weiße Fliesen. Gesund heißt, Lehm. Es galt also, neue Wege zu beschreiten. Denn bei Terracotta denken wir vor allem an erdige Farbtöne, die von Gelb bis Grau reichen, vor allem aber an sattes Rot oder dunkles Braun. Weiße Fliesen aus gebrannter Erde sind dagegen genauso selten wie weiße Trüffel. Da sich die Besitzer chemiefreie, nachhaltige und gesunde Materialien für den Schlossfußboden wünschten, mussten die weißen Fliesen für das Schachbrettmuster erst entwickelt werden.
Nur durch jahrzehntelange Erfahrung mit Lehmmischungen und traditionellen Brennverfahren sind wir in der Lage, weiße Terracottafliesen herzustellen, die nicht nur stabil, frostsicher und unempfindlich gegen Flecken sind, sondern im gesamten Haus für ein gesundes Raumklima sorgen – auch in Bad und Dusche. Den gewünschten Farbton für eine weiße Bodenfliese zu treffen, ist eine Kunst. Aber selbst bei minimalen und charakteristischen Farbunterschieden, die bei handgemachten Lehm-Fliesen typisch sind, ist das einzelne Stück doch nur ein Teil des Ensembles, das aber gerade in deren Zusammenspiel ein einzigartiges Gesamtbild ergibt.
Entwicklung weißer Lehmfliesen
Neuartiges Verfahren für individuell gefertigte Schachbrettmuster im Schloss Prossen
Mit unseren handgeformten Bodenfliesen, die wir aus unseren patentierten Lehmmischungen aus ausschließlich natürlichen Materialen herstellen, empfinden wir das originale Schachbrettmuster authentisch nach. Aber um die Raumgestaltung weniger statisch und den Kontrast zwischen dem Farbspiel weniger hart zu gestalten.
Herstellung von weißen Lehmfliesen
Originalgetreue Rekonstruktion des Schlossfußbodens – eine Verbeugung vor unserer Geschichte
Vor allem die Farbe des Lehms spielt natürlich bei der Herstellung ein große Rolle. Je seltener eine Lehmfarbe in der Natur vorkommt, desto teurer ist sie auch. Allerdings hängt nicht alles von ihr ab, denn genauso wichtig sind auch das Mischverhältnis der Lehm-Bestandteile (Ton, Sand, mineralische Zusätze), der Grad der Zerkleinerung, die Trocknungszeit der Fliesenrohlinge vor dem Brand. Denn die Nähe zum Feuer, die Stapelung im Ofen sowie die Brenndauer an sich haben eine große Auswirkung auf die Farbgebung einer Lehmfliese.
Erfahrene Restauratoren verlegen den Fußboden für das Schloss
Handgeformte Lehmfliesen verleihen jedem Gebäude historische Authentizität
Der lange, komplizierte und aufwändige Herstellungsprozess mit vorangegangener Recherche und Planung wäre nur eine traurige Übung in Sinnlosigkeit, wenn ein Schlossfußboden am Ende nicht auch tatsächlich in seinem ursprünglichen Glanz erstrahlen und viele hundert Jahre halten würde. Somit ist ein genauso wesentlicher Teil bei der Wiederherstellung eines Fußbodens für ein Schloss seine fachgerechte Verlegung durch Spezialisten, die seit Jahrzehnten geschult sind im Umgang mit Fliesenreplikaten für Kirchen, Kathedralen, Schlösser, Burgen und alte Bürgerhäuser. Denn neben dem Grundmaterial auf Lehmbasis, dem ältesten und besten Baustoff der Menschheit, sind auch besondere Kenntnisse von traditionellen Verlegetechniken und deren korrekte Anwendung erforderlich. Nur die korrekte Wiederherstellung garantiert überhaupt die Rückgewinnung einer verlorenen Qualität und wahren Authentizität, um so der tatsächlichen Intention des barocken Schlosses zumindest zaghaft nachspüren zu können.
Schloss: Das Rittergut Prossen (heute Schloss Prossen), das mehr als sechs Jahrhunderte hinweg Verwaltungszentrum und Gerichtsstand der umliegenden Ortschaften war, ließen Caspar Heinrich von Schönberg und Johanna Eleonore von Lüttichau in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts erbauen. Das Haus hat eine wechselvolle Geschichte etwa als Sitz der Gerichtsbarkeit und auch als Wohnort des berühmten Verlegers Friedrich Brockhaus.
Aufgabenstellung: Nachbau eines antiken Fußbodens aus Lehmfliesen im klassischen Schachbrettdesign, der sich nahtlos in die historische Architektur einfügt.
Arbeitsumfang: Bestandsaufnahme, Gutachten, Planung, Herstellung von weißen Terracotta-Fliesen, die modernen Ansprüchen an Stabilität, Festigkeit und Maßhaltigkeit gerecht werden, in eigener Manufaktur, Verlegung durch eigenes Restauratoren-Team
Fläche und Material: 400 m² Schachbrett-Fliesen (weiß-dunkelgrau) in den Formaten 28×28 cm und 16×16 cm
Dauer: 12 Wochen für Planung, Herstellung und Verlegung
Architekten schoper.schoper, Dresden
Publikationen: Urlaubsarchitektur, 2020
Fotos: © Till Schuster